Inhalt
Klappentext:
Über viele Jahre war Chris Voss beim FBI als Verhandlungsführer bei Geiselnahmen aktiv. Er verhandelte während seiner Tätigkeit mit einer Vielzahl von Kriminellen wie Bankräubern und Terroristen. In seinem Buch „Keine Kompromisse“ führt der Experte für Extremsituationen die Leser in die Welt der knallharten Verhandlungen ein. Und zeigt, worauf es ankommt, wenn es ums Ganze geht. Das Leben besteht schließlich aus Verhandlungen, auf die man besser gut vorbereitet ist: angefangen beim Autokauf, über Gehalts- oder Mietverhandlungen, berufliche Verhandlungen bis hin zu Diskussionen mit dem Partner.
Dieses Buch mit seinem Fokus auf emotionale Intelligenz und Intuition verschafft den Lesern bei Diskussionen den entscheidenden Vorteil: Zehn effektive Prinzipien wie aktives Zuhören und taktische Empathie, sorgen dafür, dass man privat und beruflich alles im Griff hat und immer überzeugt.

Quick Facts
Autor | Chris Voss |
Titel | Kompromisslos verhandeln: Die Strategien und Methoden des Verhandlungsführers des FBI |
Originaltitel | Never Split the Difference |
Seiten | 320 |
Erschienen im | Juni 2017 |
Verlag | Redline Verlag |
Preis | 17,99 EUR (Taschenbuch), 13,99 (E-Book) |
Kaufen | Überall dort, wo es Bücher gibt, z. B. beim Buchhändler eures Vertrauens oder online bei Genialokal |
Bewertung | 🐝 🐝 🐝 🐝 🐝 (mehr Infos zum Bewertungssystem gibt es hier) |
Über den Autor
Chris Voss arbeitete 24 Jahre lang als leitender Verhandlungsführer für Geiselnahmen beim FBI. Außerdem unterrichtete er unzählige Studentinnen und Studenten im Fach „Geschäftsverhandlungen“, darunter an der Marshall School of Business der University of Southern California, der McDonough School of Business der Georgetown University und der Harvard University. Darüber hinaus war er als Gastdozent an der Kellogg School of Management der Northwestern University, der IMD Business School im schweizerischen Lausanne und der Goethe School of Business in Frankfurt tätig.
Meine Meinung
Ich habe das Buch vor einigen Jahren im englischen Original gelesen. Ursprünglich wollte ich mit den Tipps aus dem Buch meine Strategie bei Preisverhandlungen mit potenziellen Kunden meiner Übersetzungsagentur optimieren. Mir war vor dem Lesen nicht wirklich bewusst, dass unser ganzes Leben von Verhandlungen geprägt ist, sei es mit dem Vermieter über Mieterhöhungen, mit dem Partner über das Urlaubsziel oder mit dem Kind um iPad-Zeit. Das Buch ist also nicht nur für Gehalts- oder Honorarverhandlungen sinnvoll, sondern auch für den Alltag und im täglichen Miteinander. Ich konnte wirklich sehr viele Anregungen daraus mitnehmen, habe mir viele Notizen gemacht und die Strategien peu à peu in meinen geschäftlichen Alltag integriert. Die Tipps haben mir neben Honorarverhandlungen in meinem Job beispielsweise auch bei Deadline-Verlängerungen mit Kunden geholfen.
Das Buch ist in 10 Kapitel aufgeteilt. In jedem Kapitel beschreibt Chris Voss eine Situation aus seinem Arbeitsalltag als FBI-Verhandlungsführer, so zum Beispiel mit Geiselnehmern, Terroristen oder anderen Verbrechern. Anschließend erklärt er, wie die Geiselnahme mithilfe der erklärten Strategie gelöst werden konnte. Am Ende eines jeden Kapitels erfährt der Leser oder die Leserin dann explizit, wie sich die Strategie auf Situationen im Privat- oder Berufsleben anwenden lässt.
Wie verhandelt man nun erfolgreich?
Die drei Arten von Verhandlungspartnern
Es gibt laut Chris Voss drei verschiedene Arten von Verhandlungspartnern und jeder einzelne davon agiert und reagiert in Verhandlungssituationen anders. Es bringt nichts, deinen Gegenüber so zu behandeln, wie du behandelt werden möchtest, denn es kann sein, dass er oder sie in eine andere Kategorie fällt als du und deshalb vollkommen anders vorgeht als du es machen würdest. Dein Kommunikationsstil sollte sich demnach am Stil der anderen Person ausrichten, damit sie sich in der Verhandlung wohler fühlt und dir eher entgegenkommt. Die drei Typen sind:
- Der Analyst: Er betrachtet sich selbst als besonders gut vorbereitet, intelligent und realistisch. Bei anderen wirkt er oft kalt und unnachgiebig. Diese Person geht methodisch vor, bereitet sich lange auf Verhandlungen vor, arbeitet am liebsten alleine, hasst Überraschungen und lässt sich am besten mit Daten überzeugen.
- Der Anpassungsfähige: Diese Person ist sympathisch, redet gerne und ist daran interessiert, die Beziehung zu intensivieren. Dem Anpassungsfähigen ist es wichtig, gemocht zu werden und einen guten Draht zum Verhandlungspartner zu haben. Das ist allerdings auch seine Achillesferse. Diese Person wird reden, wenn du „taktisches Schweigen“ einsetzt, und nutzt verfügbare Zeit zum Aufbau einer Beziehung.
- Der Durchsetzungsstarke: Er möchte die Verhandlung unter allen Umständen „gewinnen“ und ist ehrlich, logisch und sehr direkt. Bei anderen wirkt er allerdings eher harsch und emotional, ja fast schon aggressiv. Für diese Person ist Zeit Geld und er nutzt dein Schweigen, um seinen Standpunkt klarzumachen.
Kapitel 1: Die neuen Regeln
Einer der wichtigsten Gedanken des gesamten Buches wird direkt in Kapitel 1 („Die neuen Regeln“) aufgegriffen. Bevor Chris Voss Anfang der 1980er Jahre beim FBI die Rolle als leitender Verhandlungsführer übernahm, galt die Devise, dass Emotionen beim Verhandeln außen vor gelassen werden müssen. Verhandlungen sollten also rational ablaufen, weil der Mensch ein rational handelndes Wesen ist. Diese Einstellung ist allerdings überholt, denn die Handlungen des Menschen werden primär von Emotionen gesteuert. Merke dir also deshalb: Wenn du etwas bei jemandem erreichen möchtest, solltest du die Emotionen der anderen Person wahrnehmen, klar benennen (labeln) und so ein vertrauensvolles Verhältnis zu dieser Person aufbauen (Voss bezeichnet das als „Rapport“).
Kapitel 2: Spiegeln
Schaffe eine Verbindung zu deinem Gegenüber, indem du die Person spiegelst, d. h. imitiere den Verhandlungspartner, verwende seine zuletzt gesagten Wörter und spiegele seine Gesten und Mimik. Das verbessert den Rapport, denn Menschen fühlen sich eher zu Menschen hingezogen, die ihnen ähneln, was wiederum eine positive Ausgangssituation für deine Verhandlungen schafft.
Kapitel 3: Empathie ja, Emotionalität nein
Auch wenn Emotionen beim Verhandeln ein Schlüsselaspekt sind, so ist es doch wichtig, dass du als Verhandlungsführer selbst niemals emotional sein darfst. Das heißt, du erkennst die Emotionen deines Gegenübers an, labelst (also benennst) sie und zeigst deinem Verhandlungspartner, dass du Verständnis für ihn hast. Versetze dich in die Situation der anderen Person und versuche nicht nur nachzuvollziehen, in welchem emotionalen Zustand sie sich befindet, sondern auch, welche Motivation hinter dem Handeln steckt. Setze außerdem auf „taktisches Schweigen“, um die Person zum Sprechen zu bringen. Je mehr Informationen sie preisgibt, desto besser für dich.
Kapitel 4: Ein „Ja“ heißt gar nichts und ein „Nein“ ist überhaupt nicht so schlimm
Nimm dich vor einem falschen, nicht ernst gemeinten „Ja“ in Acht. Manche Menschen sagen nur „Ja“ zu etwas, weil sie sich aus der aktuellen Situation befreien wollen, nur um dann später einen Rückzieher zu machen. Es gibt beispielsweise im Call-Center-Bereich die sogenannte „Ja“-Treppe, eine Vorgehensweise, um am Telefon so viele Fragen wie möglich mit „Ja“ beantwortet zu bekommen und so die Stimmung positiv zu beeinflussen. Damit soll die Chance zu einem späteren „Ja“ erhöht werden.
Aber manchmal ist ein „Nein“ sinnvoller, denn wenn der Verhandlungspartner eine Frage mit „Nein“ beantwortet, wiegt er sich in einem sicheren Gefühl und glaubt, das Ruder in der Hand zu haben. Das zahlt auf die beiden wichtigsten Grundbedürfnisse des Menschen ein: Sicherheit und das Gefühl der Kontrolle.
Kapitel 5: Die beiden Zauberwörter
Nein, die beiden Zauberwörter heißen in Voss‛ Fall nicht „Zack, zack“ oder „Bitte bitte“, sondern „Das stimmt!“. Wiederhole die Emotionen deines Verhandlungspartners und fasse sie in Worte, um ein Gefühl des Verständnisses zu vermitteln. Wenn dein Gegenüber mit „Das stimmt!“ antwortet, ist das ein positives Zeichen, denn damit bestätigst du ihm, seine Position und individuelle Lage verstanden zu haben.
Kapitel 6: Wahrnehmung beeinflussen
Das wichtigste Wort bei einer Verhandlung ist „Fairness“. Jeder möchte einen Deal möglichst fair für sich abschließen, und am Ende nicht das Gefühl haben, unfair behandelt worden zu sein.
Hier kommt auch der Originaltitel des Buches zum Einsatz „Never split the difference“, was bedeutet, dass du niemals Kompromisse eingehen solltest. Ich erkläre es anhand eines Praxisbeispiels: Du willst dein Auto für 10.000 EUR verkaufen, ein Interessent meldet sich bei dir, hat aber nur 5.000 EUR Budget. Wenn ihr die Differenz aufteilt, trefft ihr euch in der Mitte und vereinbart als Kaufpreis 7.500 EUR. Klingt nach einem guten Deal oder? Aus dem beide zufrieden herausgehen? Nein! Laut Voss ist das Gegenteil der Fall, denn beide Parteien haben das Gefühl, etwas verloren zu haben.
Sei außerdem vorsichtig mit Fristen, denn diese sorgen dafür, dass Menschen irrational oder impulsiv handeln. Der andere sollte sehen, dass ER etwas zu verlieren hat, wenn er deinen Deal nicht akzeptiert.
Kapitel 7: Illusion der Kontrolle
Stelle statt geschlossener Fragen (also Fragen, die sich mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten lassen) offene Fragen, am besten solche, die mit „Was“ oder „Wie“ beginnen, z. B.:
- Wie stellst du dir das vor?
- Was kann ich dazu beitragen?
- Wie sind wir hier gelandet?
- Was möchtest du erreichen?
Damit bekommt der Verhandlungspartner noch einmal mehr das Gefühl, die Kontrolle über die Situation zu haben. Und wie wir oben erfahren haben, ist Kontrolle eines der Grundbedürfnisse. Dabei spielt es keine Rolle, dass diese Kontrolle nur eine Illusion ist.
Kapitel 8: Sicherstellen, dass es klappt
Oben haben wir gelernt, dass ein „Ja“ noch gar nichts heißt und auch eine Verschleierungstaktik sein kann, um einer Situation zu entfliehen. Deshalb solltest du dich immer auch nach dem „Wie“ erkundigen. Wie plant dein Verhandlungspartner die Umsetzung und Ausführung? Wie soll das Ziel erreicht werden? Führe dir dabei aber immer vor Augen, dass dein Gegenüber nicht dein Feind ist. Die Verhandlungssituation ist der Feind, aber nicht der Verhandlungspartner.
Kapitel 9: Auf die Details kommt es an
Identifiziere den Verhandlungsstil deines Gegenübers und richte deine Strategie daran aus (die drei Typen sind weiter oben beschrieben). Lege bei Preisverhandlungen deine finale Summe fest, indem du eine ungerade Zahl verwendest (um auf das Beispiel des Autoverkaufs zurückzukommen: 10.319 EUR), denn das lässt deinen Preis durchdacht und nicht wahllos ausgewählt wirken. Lege außerdem noch etwas von nicht monetärem Wert oben drauf, das für den Verhandlungspartner interessant ist (z. B. 2 Jahre TÜV, worum er sich erst einmal keine Gedanken machen muss). Das Wichtigste ist die richtige Vorbereitung: Nimm dir ausreichend Zeit, setze dir ein Ziel, stelle dich darauf ein, dass der Verhandlungspartner dich mit einem extrem unverschämten Anker aus dem Konzept bringt, und nutze die Taktiken aus den anderen Kapiteln.
Kapitel 10: Black-Swan-Ereignisse
Black-Swan-Ereignisse sind höchst seltene Ereignisse, so selten wie das Sichten eines schwarzen Schwans. Es kann immer etwas Unvorhergesehenes passieren, stelle dich also darauf ein. Benutze die Fakten, die du sicher weißt, als Richtschnur, aber lass dich davon nicht blenden, denn es kann immer unbekannte Faktoren geben, von denen du keine Ahnung hast – und die elementare Auswirkungen auf das Verhandlungsziel haben können. Versuche, die Mission, Ziele und Weltanschauung deines Verhandlungspartners in Erfahrung zu bringen. Voss bezeichnet es insgesamt als „Religion“, allerdings nicht im traditionellen Sinne, sondern eher dahingehend, was die Person antreibt und motiviert. Höre gut zu und bringe alles über den Gegenüber in Erfahrung, was du herausfinden kannst. Am besten lassen sich Verhandlungen deshalb persönlich führen, sodass du nicht nur Worte, sondern auch Mimik und Gestik in deine Einschätzung einbeziehen kannst. Falls etwas während der Verhandlung keinen Sinn ergibt, liegt das meistens an Fakten, die dir unbekannt sind (einem Black Swan).
Fazit
Chris Voss nutzt seine jahrelange Erfahrung, um uns als Lesern zu zeigen, wie wir im beruflichen und privaten Umfeld das bekommen, was wir möchten. Das Buch lässt sich meiner Ansicht nach am besten als haptisches Buch lesen, um Post its hinzuzufügen und direkt auf den Seiten Notizen zu machen, um es bei Bedarf für konkrete Situationen immer wieder zur Hand zu nehmen.
Wie mir das Buch in der Praxis geholfen hat
Vor ein paar Jahren beauftragten mein Mann und ich eine Immobilienmaklerin mit dem Verkauf einer Immobilie. Nennen wir sie Frau M. Bei der Auftragsvergabe war Frau M. sehr motiviert und überzeugte uns mit ihrer sympathischen, freundlichen Art (sie war also der anpassungsfähige Verhandlungstyp). Da Frau M. in einem anderen Land tätig war als wir, musste die Kommunikation per E-Mail ablaufen. Irgendwann allerdings stagnierte die Kommunikation und Frau M. meldete sich aus heiterem Himmel einfach nicht mehr bei uns. Wir wussten nicht, ob aktuell Besichtigungen stattfinden, ob aktiv am Verkauf der Immobilie gearbeitet wird oder ob evtl. private Umstände bei Frau M. dazu geführt haben, dass sie nicht mehr erreichbar war. Nach mehreren erfolglosen E-Mails und Anrufen, mit der Bitte, doch unbedingt Kontakt zu uns aufzunehmen, nutzten wir einen Tipp aus dem Buch und zwar stellten wir eine Frage, die nur negativ beantwortet werden kann.
Unsere E-Mail lautete:
Sehr geehrte Frau M.,
da wir seit mehreren Wochen nichts mehr von Ihnen gehört haben, gehen wir davon aus, dass Sie uns beim Verkauf der Immobilie XY nicht mehr vertreten.
Mit frdl. Grüßen
Familie Bumblebee
Nach dem Versenden dieser E-Mail erhielten wir innerhalb von Minuten eine Antwort von Frau M. Damit hatten wir zumindest die Bestätigung, dass Frau M. durchaus noch am Verkauf der Immobilie interessiert war. Der Trick ist wirklich Gold wert und du solltest ihn unbedingt mal ausprobieren.
Und nun viel Spaß beim Lesen des Buches!

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